Das Spiel mit dem weißen Ball
Von Hans Beutel

Es fing alles so harmlos an
Als der Sport nach dem Zweiten Weltkrieg seine gesellschaftspolitische Funktion erfüllte und sich viele Menschen in Vereinen integrierten, schlug in Lorsch die Stunde des Tischtennissports. Das Interesse am Tischtennissport wurde immer größer. Dazu trugen auch die Medien bei, die über Großveranstaltungen wie Europa- und Weltmeisterschaften berichteten. Aber auch die Tatsache, dass der Sport in einer Halle oder in einem Raum ausgeführt werden konnte, weckte das Interesse. Die Faszination, die das an Artistik grenzende Spiel mit dem Zelluloidball ausübte, trug dazu bei.

So bildeten sich auch in Lorsch verschiedene Gruppen, die sich in Gaststätten zu regelmäßigem Training trafen. Die Spieler entstammten eingesessenen Vereinen, wie dem SC Olympia, dem Turnverein, der katholischen Jugend oder Kolpingfamilie. Die Spiellokale waren unter anderem das Paulusheim, die Gaststätten "Morgenstern", "Goldener Stern" und "Frische Quelle".

In Gruppen mit gleichen Zielen kommt es aber immer zu Spannungen. So auch hier. Die Spannungen führten aber nicht nur zu Leistungsverbesserungen der einzelnen Spieler, sondern wirkten sich fruchtbar für den Tischtennissport in Lorsch aus: Aus den diversen Gruppen bildeten sich zunächst zwei Vereine, die auch an Verbandsspielen teilnahmen. Der eine Verein spielte in der Turnhalle, der andere in der Gaststätte "Morgenstern". Die Mitglieder beider Vereine waren mit Freude und Idealismus bei der Sache. Doch letztendlich blieb der Turnverein bereits nach wenigen Monaten auf der Strecke. Zugunsten des neuen Hauptvereins, der sich bei der Olympia als Abteilung etablierte. Als Abteilungsleiter wurde Heinz Halbritter gewählt, der nunmehr die Interessen der Abteilung bei dem Hauptverein, den Verbandsorganen und der Stadt Lorsch wahrnahm.
Durch den Zusammenschluss fand sich ein erstklassiges Potential von Spielern zusammen. Als Spiellokal wurde die Gaststätte "Zur Harmonie" bei Maibergers in der Biengartenstraße ausgewählt. Die Spielverhältnisse waren zwar nicht optimal, weil nur maximal drei Tische aufgestellt werden konnten, doch wurde trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) gekämpft und geackert.
Die ersten Erfolge stellten sich ein und es wurde sogar eine zweite Mannschaft gebildet. Die bekanntesten Spieler aus dieser Zeit waren: Otto Rau, Niki Jakob, Willi Rettig, Hans Heinz, Hans Rummel, Karl Zeiß, Emil Bonwetsch, Hans Bohrer, Horst Fischer, Josef Heinz, Fritz Halbritter, Norbert Schmitt und Wilhelm Ludwig. Letzterer ging aus der Jugendarbeit des Vereins hervor und erspielte sich Einzelerfolge im Kreis, Bezirk, Hessen und sogar Südwestdeutschland. Leider wechselte er Ende der Sechziger Jahre zum ranghöheren TV Bensheim, wo er sehr spielstark wurde und sogar deren Training leitete. Auf Licht folgt bekanntlich auch Schatten. Die erste Mannschaft stieg im Spieljahr 1963/64 aus der Bezirksklasse ab und einzelne Spieler hörten mit dem Tischtennis auf. Die Spielerdecke wurde immer dünner...

Ära Nibelungenhalle und Hans Beutel
Dass es nicht noch weiter nach unten ging, war in erster Linie zwei Aktiven aus dieser Zeit zu verdanken. Zum einen Hans Rummel sen., der die Arbeiten der Geschäftsführung in die Hand nahm und mit seinen PKW und Anhänger immer für die Abteilung zur Verfügung stand. Aber nicht zuletzt auch Günter Wiegand, der den Part des Pressewartes ausführte. Er agierte nach dem Motto "Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte" und setzte seine Kontakte zu den Verlagen ein. Er schrieb Berichte über die Spiele der 1. Mannschaft und schlug gehörig die Trommel für die Tischtennisabteilung. Plötzlich sah man Licht am Ende des Tunnels. Die Stadt hatte im Dezember 1962 den Grundstein für den Bau einer Halle gelegt. Anlass waren die Feierlichkeiten zur 12oo Jahrfeier.

Die Halle war zwar nur als Kultur- und Schulsporthalle konzipiert worden, doch wurde den Hallensport treibenden Vereinen auch die Benutzung in Aussicht gestellt. Die Halle wurde als Mehrzweckhalle bezeichnet und später in Nibelungenhalle umbenannt. Die Fertigstellung war im Juni 1964 und im Anschluss daran konnten die Verbandsspiele ausgetragen werden.

Jetzt endlich waren die Voraussetzungen für ordentliches Tischtennisspiel gegeben und Anlass für Günter Wiegand, noch mehr die Trommel für die Abteilung zu rühren. Besonders den Hobby- und Heimspielern galt sein Ruf. Und sein Rufen wurde erhört. über dreißig Hobbyspieler folgten seiner Einladung zur Ausrichtung der Stadtmeisterschaften 1966. Diese waren von dem Gesamtbild der Halle mit acht Tischen begeistert und spielten bis spät in die Nacht.

Zur Abteilungsversammlung im Juli 1966 erschienen sämtliche Tischtennisspieler und wählten aus ihrer Mitte Hans Beutel zum Abteilungsleiter. Beutel kam vom Fußball und hatte schon Erfahrung als Funktionär. Er handelte nach dem Sprichwort "Wer nie was anfängt, bringt nie was zustande und Stillstand ist Rückschritt". Nach seiner Ansicht sollten neben den sportlichen Verpflichtungen auch die freundschaftlichen Kontakte im Vordergrund stehen. Da keiner alleine die Abteilung ist, fand er in Günter Wiegand den geeigneten Mann für die öffentlichkeitsarbeit, in Harald Maiberger - den heutigen Sportbeauftragten des TC Olympia Lorsch - den Jugendwart, in Rudi Heinz den Kassierer und Günther Ludwig den Gerätewart.

Dieses Team übernahm nun ihre erfolgreiche Arbeit: Die Mitgliederentwicklung nahm eine erfreuliche Entwicklung und die sportlichen Erfolge ließen nicht lange auf sich warten.

Viele bereits resignierten Spieler kamen zurück und mit Günter Wiegand, Roland Spahl, Bruno Conrath, Rudolf Heinz, Hans und Albert Beutel, Bartl Jansen, Gerd Schnellbächer, Dieter Thie, Heinrich Jakob, Werner Wahlig, Wolfgang Wahlig, Werner Eppel, Eckhardt Keck, Werner Kober, Josef Pelzl, Paul Wagner, Peter Massoth, Friedel Beckerle, Werner Baumann und Fritz Glanzner kamen neue, hoffnungsvolle Talente hinzu.

Dass die Benutzung der Nibelungenhalle auch Schattenseiten hatte, zeigte sich schnell. Die Lorscher Kulturvereine hatten das Belegungsrecht und so konnten die Tischtennisspieler bei Familienfeiern, Weihnachtsfeiern oder Faschingsfeiern die Halle nicht benutzen und mussten terminierte Verbandsspiele verlegen. Doch auch hier hatte die Abteilung Glück: Mit dem beauftragten Hausmeister der Stadt, Adam Schwinn aus der Bahnhofstraße, hatten wir ein gutes Verhältnis. Dieser war immer für uns da. Selbst freitags bis nach Mitternacht und sonntags ab acht Uhr morgens. So konnten wir Spiele auch auf diesen Zeitraum verlegen und es gab keine Schwierigkeiten im Gesamtablauf.

Im Spieljahr 1967/68 nahm wieder eine 2. Mannschaft den Spielbetrieb auf und 1968/69 bereits eine 3. Mannschaft. Nun ging es kontinuierlich nur noch nach oben. Es gab eine 4. und 5. Mannschaft und auch eine 1. und 2.Damenmannschaft nahm an den Verbandsspielen teil. Die Damenmannschaften wurden gebildet von: Margot Glanzner-Schubert, Helga Massoth-Fieberling, Edith Kreutzer, Anette Glanzner, Uschi Rummel, Charlotte Jäger u.a.

Die Jugendarbeit, die zwischenzeitlich von Seppl Pelzl übernommen wurde, trug mittlerweile erste Früchte. Mit Roland Heuß kam erstmals ein Olympianer bei den B-Schülern im Doppel zu Hessenehren. Ihm folgte 1974/75 Jürgen Beutel, der Sohn vom Abteilungsleiter, als Hessischer Jahrgangsmeister für Zehnjährige und 1975/76 für Elfjährige, sowie 1976/77 als Hessenmeister der B-Schüler. Als viel versprechendes Talent hörte er beim übertritt zu den A-Schülern mit dem Tischtennis auf. Trotzdem verdienen diese herausragenden Leistungen besondere Erwähnung.

Diese Erfolge hatten auch in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Echo und es schlossen sich verschiedene Spieler unserer Abteilung vorübergehend an. So u.a. Wolfgang Gärtner, Dieter Gutzeit, Rüdiger Leist, Jürgen Hofmann, Hans Otott u.a.

Bei dieser Gelegenheit ist es einmal Zeit daraufhin zu verweisen, wie viel Arbeit die ehrenamtlichen Helfer, darunter werden auch die Mannschaftsführer gezählt, investieren, damit die sportlichen Wettkämpfe reibungslos ablaufen und Erfolge erzielt werden können.

Auch im geselligen Bereich wurde viel getan. Es wurde jedes Jahr ein Familien-Grilltag durchgeführt, eine Weihnachtfeier und ein Fastnachtsabend. Zwischen der Vor- und Rückrunde wurden Freundschaftsspiele ausgetragen, wobei stellvertretend von vielen Begegnungen die gegen den TSV Höchst - den Stammverein von Timo Boll - genannt wird. Aber auch die Freundschaftsbegegnung gegen den VFL Berliner Lehrer darf nicht unerwähnt bleiben. Hans Beutel hatte über den Hessischen Tischtennisverband, dem Landessportbund und dem Berliner Senat Kontakt zu diesem Verein aufgenommen. Durch Zuschüsse des Landessportbundes und des Berliner Senats waren die Kosten auf ein erträgliches Maß gefallen und es entschlossen sich 17 Mitglieder die Flugreise anzutreten. Wir flogen mit der Pan Am ab Frankfurt und wurden in Berlin optimal vom Senat und dem Verein betreut. Obwohl vom Rest der Bundesrepublik abgetrennt, waren wir beeindruckt von Berlin. Für die Mitgereisten war dies ein einmaliges Erlebnis und alle schwärmen heute noch davon.

Auch der Besuch eines Tischtennisspiels der höchsten Klasse stand auf dem Programm. Mit über zwanzig Spielerinnen und Spielern fuhren wir nach Mörfelden zum dortigen TTC. Der mehrmalige Deutsche Meister hatte ein Pflichtspiel gegen den 1. FC Saarbrücken und gewann 9:1. Wir wurden von dem damaligen 1. Vorsitzenden Karl-Heinz Kämmler extra begrüßt, hatten Ehrenplätze und lernten erstmals Dieter Michalek kennen, ohne zu ahnen, dass dieser sich einmal in Lorsch ansiedeln würde.

Die einzelnen Mannschaften des SC Olympia spielten in ihren eigenen Klassen alle eine hervorragende Rolle und die 1. Mannschaft stieg über die Bezirksklasse, die Gruppenliga bis zur Landesliga Süd auf. Im Kalenderjahr 1976 wurde Hans Beutel vom Amtsleiter des Hauptamtes der Stadt Lorsch, Hans Schuchmann, informiert, dass sich der TT-Nationalspieler Dieter Michalek in Lorsch angesiedelt habe. Daraufhin nahm der Abteilungsleiter Kontakt zu Michalek auf und nahm ihm das Versprechen ab, dass dieser nach über zehnjähriger Pause den Schläger für die Lorscher Tischtennisabteilung in die Hand nahm. Dies war der größte Glücksfall für Lorsch, aber auch die letzte größere Amtshandlung von Hans Beutel, der bei der Abteilungsversammlung 1977 nach über elfjähriger Periode sein Amt zur Verfügung und sich nicht mehr zur Wahl stellte.

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Hans Beutel
Geboren 29. Dezember 1936,
Abteilungsleiter 1966 bis 1977,
lange Jahre auf Kreisebene als Funktionär aktiv,
für den TTV Topspin Lorsch und SC Olympia Lorsch fast 700 Verbandsspiele bestritten und bis heute noch Vereinsmitglied.